Die PTR war eine im Jahre 1887 in Berlin gegründete Institution des Deutschen Reiches zur Förderung der exakten Naturforschung und der Präzisionstechnik. Sie war in zwei Abteilungen gegliedert: Abteilung 1 als wissenschaftliche Bereich zur Erforschung von Grundfragen der Physik, deren Bearbeitung die Möglichkeiten einzelner Forscher überstieg, sowie Abteilung 2 als technische Abteilung zur Entwicklung von Meßwerkzeugen und Meßmethoden bis zur amtlichen Prüfung und Festlegung von Standards. Nach 1890 bezog sie ihren neuen Sitz in Charlottenburg und war das weltweit erste und führende (staatliche) physikalisch-technische Laboratorium, ein Vorbild für das 1899 errichtete britische National Physical Laboratory und das amerikanische National Bureau of Standards von 1901.
Erster Präsident der PTR wurde Hermann von HELMHOLTZ (1821-1894), der überragende deutsche Naturforscher das 19. Jahrhunderts. Mit ihm kam auch Otto Lummer im Jahre 1887 an die PTR, denn er war ein Schüler von Helmholtz.
Nach einem kurzen Abstecher an die Tübinger Universität hatte Lummer ab 1880 die Universität in Berlin zum ständigen Studienort gewählt, wo er in der Physik Vorlesungen bei Helmholtz und Gustav KIRCHHOFF (1824-1887), dem Entdecker des bereits erwähnten Gesetzes, hörte. Im Jahre 1884 legte er seine Dissertation unter dem Titel "Über eine neue Interferenzerscheinung an planparallelen Glasplatten...."1vor, wobei er nach dem Urteil von Helmholtz als Doktorvater, in dieser "ungewöhnlich guten Arbeit große Sicherheit und Selbständigkeit im wissenschaftlichen Denken, große Aufmerksamkeit im Beobachten und Geschick im Experimentieren" bewies2. Hierzu muß angemerkt werden, daß die Interferenzerscheinung, auf welche Lummer unvermutet stieß, zunächst von Helmholtz nicht geglaubt wurde, da er sie wegen seiner Kurzsichtigkeit nicht erkennen konnte. Als sich der Doktorand aber trotz aller Verehrung für den Meister nicht erschüttern ließ und auch noch eine theoretische Erklärung für das Phänomen fand, war Helmholtz überzeugt von dessen Realität. Danach war Lummers Stellung am Physikalischen Institut wesentlich gefestigt.
Obwohl sich später herausstellte, daß selbige Interferenzringe bereits schon zweimal vorher entdeckt worden waren, zuerst von dem Wiener Mineralogen W.K.HAIDINGER (1795-1871) im Jahre 1849 an Glimmerplättchen und nochmals 1871 vom französischem Physiker und Mineralogen E.MASCART (1837- ? ), so hatte doch nur Lummer sie in Ursprung und Bedeutung voll erfaßt. Sie waren der Ausgangspunkt für die spätere Konstruktion der Lummer- (Gehrcke-)Platte, ein Interferometer hoher Auflösung zur spektroskopischen Untersuchung von Spektrallinien. Die Interferenzringe selbst findet man in der Literatur unter der Bezeichnung "Lummer-(Haidinger-)Ringe"3.
Nachdem Otto Lummer seine wissenschaftlichen Qualitäten mit seiner Doktorarbeit demonstriert hatte, bot ihm Helmholtz 1884 eine Assistentenstelle an seinem Physikalischen Institut an - von Lummer öfter als glücklichste Stunde seines Lebens bezeichnet. Damit eröffnete sich ihm die Aussicht auf eine gesicherte wissenschaftliche Laufbahn, zumal er mit der Optik das physikalische Gebiet gefunden hatte, dem er bis an sein Lebensende treu blieb und zu deren führenden Vertretern er sowohl national als auch international gehören sollte.
An dieser Stelle sei angemerkt, daß es vor der Jahrhundertwende etwa 1000 Physiker gegeben hat, die für damalige Begriffe durchaus gut bezahlt wurden und recht angesehen waren. Die Bedeutung der Wissenschaft wurde keineswegs erst in unserer Zeit erkannt - ein Gelehrter wie Helmholtz hatte jederzeit Zutritt zum Kaiser4.
Im Winter 1887 wurde Lummer - bereits als Beamter der PTR - nach Jena zu Ernst ABBE entsandt, um "seine Vorlesungen über theoretische Optik zu hören und die Rechenmethoden der praktischen Optik kennen zu lernen", wie er im Vorwort zu den von ihm 1910 herausgegebenen Vorlesungen von E.Abbe schreibt5. Eine finanziell bessere Stellung an den Zeiss-Werken soll er zugunsten seiner wissenschaftlichen Laufbahn ausgeschlagen haben.
Durch die Übersiedlung 1887 an die PTR konnte er zunächst seine Interferenzerscheinungen nicht weiter verfolgen, denn das neue Aufgabengebiet wurde die Entwicklung einer geeigneten internationalen Lichteinheit. In Zusammenarbeit mit Brodhun konstruierte er das Lummer-Brodhun-Photometer, ein bis heute in allen einschlägigen Labors verwendetes Gerät zur Lichtmessung6.
Den Lummerschen hohen Ansprüchen an hohe Präzision genügten die bei photometrischen Arbeiten verwendeten Strahlungsmeßgeräte, die Bolometer (thermische Strahlunsempfänger, die nach dem Prinzip von Widerstandsthermometern arbeiten), jedoch nicht. Zusammen mit F.KURLBAUM (1857-1927) entwickelte er deshalb 1892 ein neues Gerät mit erhöhter Meßgenauigkeit. Ein charakteristischer Zug von Lummers wissenschaftlicher Tätigkeit, nämlich sich schöpferisch und ziemlich unbekümmert um das bereits Vorliegende neue Methoden und Apparate auszudenken, kam bereits bei diesen bis in das Gebiet der Technik reichenden Arbeiten zum Ausdruck. Somit war er,seit 1889 Mitglied der PTR und 1894 zum Kaiserlichen Professor ernannt, bestens vorbereitet auf das Gebiet, auf dem er seine größten Erfolge ernten sollte, die Untersuchung der Strahlungsgesetze für einen schwarzen Körper.